Die Luft ist raus. Gerade in den zurückliegenden Jahren 2021 und 2022, als die Transparenzverordnung und die Novellen von MiFID II / IDD in Kraft traten, überboten sich die Anbieter mit ihren Angeboten in puncto Nachhaltigkeit. Manche gingen sogar in eine Art „Green Runoff“ und gründeten neue Schwestergesellschaften, damit Altlasten nicht den Nachhaltigkeitsambitionen schaden und damit höhere Mindestanteile ökologisch nachhaltiger Investitionen (4a) und nachhaltiger Investitionen (4b) ausgewiesen werden können.
Nun, da die wichtigsten regulatorischen Pfeiler eingeschlagen sind und der Hype zunächst vorbei zu sein scheint, beobachten wir ein nachlassendes Ambitionsniveau im Markt. Aus unserer Sicht trennt sich hier nun die Spreu vom Weizen, und man erkennt, wer es mit seinen Nachhaltigkeitsambitionen tatsächlich ernst meinte und für wen es nur eine Marketingkampagne war. Dies wird besonders deutlich, wenn man einen Blick auf die aktuellen Marktentwicklungen wirft.
Auf der einen Seite stehen Anbieter, die unbeirrt ihren Weg fortsetzen und weiterhin fest von den Vorteilen nachhaltiger Geldanlagen überzeugt sind, insbesondere beim langfristigen Sparen. Auf der anderen Seite stehen jene, die grüne Produkte einführten, als diese im Trend lagen, nun aber nicht mehr aktiv für nachhaltige Ziele eintreten möchten, obwohl fast jeder Anbieter Nachhaltigkeit in seiner Unternehmensstrategie verankert hat. Diese Entwicklung war leider zu erwarten, da der vertriebliche Erfolg nachhaltiger Anlageprodukte deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. Hauptursachen sind die komplexe Thematik und die unzureichende vertriebliche Aufarbeitung. Die schwer verständliche und für Fachfremde unklare Terminologie der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage verstärkt dieses Problem zusätzlich.
Gerade Ökologie und Ökonomie sind allerdings keineswegs ein Widerspruch. Der Nobelpreisträger William Nordhaus hat zum Thema Klimawandel das DICE-Modell entwickelt, indem er auf Basis der CO2-Reduktionskosten und der zu erwartenden Klimaschäden ein Optimum für die Erderwärmung berechnet. Darin geht klar hervor, dass weder das eine Extrem – Nichtstun und anpassen – noch das andere Extrem – Vermeidung um jeden Preis – eine optimale Strategie darstellen. Daher ist es ratsam einen gesunden Mittelweg zu verfolgen.
Diese Handlungsempfehlung lässt sich 1:1 auf die Anlageberatung übertragen, insbesondere da Nachhaltigkeitsaspekte einen konkreten Kundennutzen darstellen. Darauf verweist das aus unserer Sicht immer noch viel zu wenig beachtete BaFin „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ (value for money). Es nennt neben Kosten, Portfoliomanagement und vertraglichen Optionen & Serviceleistungen explizit die Beachtung von Nachhaltigkeitszielen als eine Produkteigenschaft, die einen eigenen Kundennutzen darstellt. Die aufwändigere Beratung von nachhaltigen Anlagemöglichkeiten kann dabei auch für Berater durchaus lukrativ sein, da die Höhe der Abschlussprovisionen gemäß Merkblatt durch zusätzliche Kundennutzen, beispielsweise die Beachtung von Nachhaltigkeitszielen, begründbar ist.
Dieser Sachverhalt sollte ein Weckruf, gerade für Lebensversicherer sein. Nach der IDD und dem „Supervisory Statement“ der EIOPA ist das BaFin-Merkblatt nun der dritte Anlauf regulatorisch Einfluss auf das Produktangebot zu nehmen und eine differenziertere Zielmarktdefinition anzubieten. Die meisten Zielmarktdefinitionen am Markt zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr breit definiert sind und praktisch auf nahezu jeden Kunden passen. Nachhaltigkeitsaspekte sollten in diesem Bereich aus unserer Sicht ebenfalls eine größere Rolle spielen.
Erfreulicher Weisekündigt sich bereits eine deutliche Vereinfachung hinsichtlich der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage an, die den Fokus wieder auf Nachhaltige Finanzprodukte lenken dürfte. Die im letzten Jahr durchgeführte Konsultation zur Offenlegungsverordnung deutet jedenfalls an, dass es zukünftig eine klare Klassifikation nachhaltiger Finanzprodukte geben könnte. Insbesondere die damit einhergehende Vereinfachung sowie neu angedachte Kategorie transformationsunterstützender Investments würde die aus unserer Sicht größten Kritikpunkte an der bisherigen Regulatorik entkräften. Dies würde der Akzeptanz sowohl bei Beratern, als auch bei Kunden aus unserer Sicht wieder einen erheblichen Schub verleihen. Doch ein Abwarten auf Nachbesserungen seitens der Regulatorik ist einerseits nicht notwendig und andererseits auch riskant. Die bereits angesprochenen differenzierten Zielmarktdefinitionen anhand von Nachhaltigkeitskriterien sind ein starkes Werkzeug, mit denen man bereits heute diese Aspekte aufgreifen sollte. Gerade im Bereich der Lebensversicherungen ist Nachhaltigkeit aufgrund der Langfristigkeit der Anlagen von überragender Bedeutung. Damit verbundene Risiken wie Unwetter, Überschwemmungen, Dürre etc. nehmen in Zukunft immer weiter zu und Unternehmen, die lediglich eine Anpassungsstrategie verfolgen, werden mit wiederkehrenden Kosten konfrontiert. Diejenigen Unternehmen, die eine Vermeidungsstrategie verfolgen, mögen zwar kurzfristig höhere Investitionsaufwände haben, sind allerdings langfristig profitabler. Verdeutlichen kann man sich diesen Sachverhalt mit einer medizinischen Analogie: Demnach ist die Vermeidung von Krankheiten in der Regel günstiger, als ihre Bekämpfung. Ähnliche Folgen sind für Unternehmensrenditen zu erwarten, in Abhängigkeit davon, ob man ausschließlich auf Anpassung oder auch auf Vermeidung setzt. Aus Sicht der BaFin macht es somit Sinn, das Thema Nachhaltigkeitsrisiken so prominent im Bereich der Zielmarktdefinition als eigenen „added value“ zu verorten. Spätestens mit der angedachten Klassifikation wird das Thema nochmal deutlich an Fahrt aufnehmen – gut wer sich bereits frühzeitig dafür rüstet. Makler die bereits konsequent nachhaltige Finanzprodukte beraten, Versicherer mit präzisen Zielmarktdefinitionen sowie Fondsgesellschaften die gute nachhaltige Fonds anbieten können davon aus unserer Sicht überproportional profitieren.
Die in den letzten Jahren mühsam erarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategien sollten demnach nicht nur fortgeführt, sondern aktiv weiterentwickelt werden. Es gilt: „wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein“ (frei nach Philip Rosenthal). Diejenigen, die das Thema Nachhaltigkeit jetzt vernachlässigen, werden später erhebliche Anstrengungen aufbringen müssen, um mit denjenigen mitzuhalten, die ihren nachhaltigen Kurs konsequent weiterverfolgen. Um festzustellen, inwiefern die eigenen Nachhaltigkeitsanstrengungen ausreichen und wie man selbst im Markvergleich platziert ist, bietet das IVFP Versicherern und Fondsgesellschaften an kostenfrei am Nachhaltigkeitskompetenz Rating teilzunehmen. Der damit verbundene Aufwand ist jedoch sicherlich eine gute Investition in die Zukunft. Die Erfahrung zeigt, dass die notwendige eigene Reflexion sowie ein unabhängiges externes Feedback regelmäßig neue Dynamiken entfacht.
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